05.05.24 / 20.04 Uhr / ORF Radio Tirol: Dominik Wurzer unser nächster Gast in der Radiosendung „Stehaufmenschen“

Marianne Hengl, Dominik Wurzer und Diana Foidl

Der schlimmste Tag in meinem Leben ist schwer zu benennen, denn es gibt immer wieder tiefe Täler, Tiefschläge und Einschläge, die unendliche Traurigkeit und Verzweiflung bringen. Doch es gibt keinen konkreten schlimmsten Tag. Was mich traurig macht, ist der wachsende Egoismus der Menschheit, das mangelnde Zuhören, die Verurteilung und der schwindende Zusammenhalt in der Gesellschaft. Mit der COVID-19-Pandemie hat sich diese Entwicklung verstärkt.

Mein Leben im Rollstuhl begann früh, als ich als Frühgeburt im 6. Monat zur Welt kam. Sauerstoffmangel führte dazu, dass ein Teil meines motorischen Zentrums im Gehirn abstarb, was zu spastischer Lähmung führte. Meine Eltern waren zunächst geschockt und besorgt, da sie nicht wussten, wie es weitergehen würde. Mein Leben war geprägt von Entwicklungsverzögerungen und Unsicherheiten, doch dank eines starken Familienverbands und einer liebevollen Beziehung zu meiner Schwester konnte ich mich darauf verlassen, dass ich unterstützt werde.

Die Wahrnehmung meiner Behinderung war belastend, doch ich akzeptierte die Situation und erkannte, dass ich nur dieses eine Leben habe und lernen muss, damit umzugehen. Meine spastische Lähmung beeinträchtigt meine Motorik, aber mit Hilfe von Rollstuhl und anderen Hilfsmitteln kann ich dennoch gut leben.
Meine Schulzeit verlief größtenteils positiv, dank der Unterstützung meiner Schule, die sich für Barrierefreiheit einsetzte und Integrationsunterricht anbot. Ich war der erste Schüler mit körperlicher Behinderung seit der Gründung der Schule und wurde nie ausgeschlossen oder gemobbt.
Der Schulwart war mein damaliger Assistent, der mich unterstützte, wenn ich seine Hilfe benötigte, z.B. auf dem Weg zum Klo. Seine Fürsorge und Unterstützung gaben mir das Gefühl, dass ich nicht allein war, dass jemand da war, um mir in meiner Welt der schulischen Herausforderungen zur Seite zu stehen.

Ich betrachte mich als einen Lichtmensch, der von innen heraus strahlt, dessen Optimismus oft grenzenlos scheint. Doch dieses Strahlen ist manchmal eine Bürde, denn nicht jeder vermag es, merine Fröhlichkeit zu ertragen. Oft werde ich mit einem Lächeln abgelehnt, mein Glaube an das Gute im Leben wird oft belächelt oder gar missverstanden.
Es ist genau das, was mich ab und zu betrübt: Wenn meine strahlende Positivität – trotz meiner schweren körperlichen Beeinträchtigung - von anderen als naiv oder übertrieben abgetan wird. Ich lasse mich jedoch nicht davon entmutigen, denn wenn jemand Anstoß an meiner zuversichtlichen Lebenseinstellung nimmt, dann liegt das nicht in meinem Verantwortungsbereich.

Mit einem starken Selbstbewusstsein und Charisma konnte ich mich behaupten, aber dennoch stoße ich auf Vorurteile, besonders in Bereichen wie der Partnersuche. Menschen haben oft falsche Vorstellungen von einem Leben im Rollstuhl, was schmerzhaft sein kann. Ich versuche, so wie viele andere auch, über online Plattformen eine Partnerin zu finden. Sobald ich mich als Rollstuhlfahrer und Mann mit Behinderung oute kommt gleich immer der Satz „du bist so ein hübscher Mann und so fröhlich, aber nicht mein Typ“ diese Ausreden verletzen natürlich. Aber ich bin zuversichtlich, dass auch für mich die Zeit kommt, wo ich von einer Partnerin geliebt werde, so wie ich bin.

Meine tägliche Routine erfordert persönliche Assistenz, die glücklicherweise in Tirol gut organisiert wird. Mein Alltag umfasst Hilfe beim Aufstehen, Körperpflege und Anziehen, aber untertags kann ich mich größtenteils selbst versorgen.

Nach meinem Schulabschluss zog ich nach Wien, wo ich die Handelsschule mit Auszeichnung abschloss. Doch dann kam die Corona-Pandemie, die mein Leben erneut veränderte. 2020 unterzog ich mich einer Operation an meinen deformierten Beinen, gefolgt von mehreren Reha-Aufenthalten. 2021 erfüllte ich mir meinen Lebenstraum und zog von Niederösterreich nach Tirol, um zu studieren.
In meiner Freizeit widme ich mich der Kunst, besuche Konzerte, lese und engagiere mich politisch, insbesondere im Bereich der Behindertenrechte.

Ich bin ein sehr positiv denkender Mensch, aber manchmal fühle ich mich einsam mit meiner Einstellung in einer kritischen Welt. Dennoch glaube ich fest daran, dass jeder Mensch eine Lebensaufgabe hat und dass auch aus Schicksalsschlägen Stärke erwachsen kann.

Mein Ziel ist es, mein Psychologiestudium abzuschließen und Rechtswissenschaften zu studieren, um meine Expertise zu nutzen und positive Veränderungen voranzutreiben. Trotz einiger Diskriminierungserfahrungen bleibe ich optimistisch und hoffe, dass die Menschen mich so akzeptieren, wie ich bin.

Dominik Wurzer ist Gast von Marianne Hengl und Diana Foidl am Sonntag, den 05.05.24, um 20.04 Uhr in einer neuen Folge der Radiosendung "Stehaufmenschen".

Dominik Wurzer