Ein ganz normales Leben.

Warum lacht sie so herzlich, mag sich so manch einer fragen, der Sabrina das erste Mal sieht. „In der Tat reagieren viele überrascht, wenn sie sehen, dass ich nicht nur ein ganz normales Leben führe, sondern außerdem ein sehr fröhlicher Mensch bin und eben nicht trübsinnig daheimsitze. Ich bin und fühle mich als Teil der Gesellschaft und so lebe ich auch“, sagt Sabrina Nitz.

Verliebt.

Sabrina kam vor 39 Jahren mit Arthrogryposis multiplex congenita (AMC) zur Welt, was bedeutet, dass ihre Gelenke an Armen und Beinen versteift sind. Alles andere als steif, wenn auch sehr strukturiert, ist ihr Alltag. Die lebensfreudige Vorarlbergerin ist nicht nur Koordinatorin der Servicestelle Persönliche Assistenz in Vorarlberg, sondern auch Mutter eines achtjährigen Jungen. Ihren Lebensgefährten Daniel Studer lernte sie vor 14 Jahren kenne, übers Internet. „Ich habe ihr Portaitfoto gesehen und ihre Ausstrahlung und ihr Lächeln haben mich fasziniert. In ihrem Profil erzählte sie von ihrer Behinderung und im ersten Moment war mir das zu viel. Aber irgendwann kamen wir doch in Kontakt und dann habe ich begonnen zu recherchieren. Ich habe Fotos von ihr gefunden, wo ich ihren ganzen Körper gesehen habe, und interessanterweise wurde die Barriere in meinem Kopf immer kleiner, die Neugierde dafür immer größer. Also haben wir uns getroffen“, erinnert sich Daniel Studer. Beide lachen, wenn sie an dieses erste Treffen zurückdenken, das so ganz anders ablief, als man es von einem ersten Date annehmen mag. Als Daniel Sabrina Zuhause abholen wollte, erwartete ihn nicht nur eine gespannte Sabrina, sondern gleich ihre ganze Familie. Aus dem geplanten Kinobesuch zu zweit wurde nichts, alle gingen mit. Als sie den Kinosaal betraten, hatte Daniel gleich die erste Bewährungsprobe zu bestehen. Die Plätze, die Sabrina reserviert hatte, lagen im obersten Bereich. „Wie kommst du da hoch?“ fragte Daniel. Und Sabrina antwortete verschmitzt: „Du musst mich jetzt hochtragen wie eine Braut.“ Leicht gesagt - und viel leichter getan, als Daniel sich das gedacht hätte, denn angesichts des vollen Kinosaals, der das Paar neugierig beobachtete, wurde ihm doch etwas mulmig. „Ich nahm all meinen Mut zusammen und habe sie, am ganzen Körper zitternd, hochgetragen. Es hat geklappt.“ Und während auf der Leinwand Bruce Willis langsam starb – eine recht untypische Filmwahl für ein romantisches Rendezvous, aber von Typisierungen halten Sabrina und Daniel sowieso nicht viel – nahm der gemeinsame Lebensweg von zwei Menschen seinen Anfang.

 

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(Un-)Verständnis.

Seitdem sind 14 Jahre vergangen. Jahre, in denen sich enorm viel getan hat, in welchen beide zu einem Miteinander gefunden haben, das nicht immer einfach ist, aber wesentlich einfacher, als so manch einer sich das vorstellen mag. Der Freundeskreis von Daniel reagierte damals irritiert. „Mein Umfeld war sehr skeptisch, viele haben sich auch distanziert. ,Warum tust du dir das an`, fragen mich selbst heute noch manche. Wenn ich mal müde bin, werde ich immer wieder bedauert: Du Amer, nach dem Arbeiten must du dich ja noch um Sabrina kümmern, du hast es so schwer.“ Tatsächlich, bekräftigt der Geschäftsführer eines IT-Unternehmens, sei es eigentlich umgekehrt. „Wenn ich nach Hause komme, ist alles erledigt, der Haushalt ist gemacht, das Essen steht am Tisch, das Kind ist versorgt. Ich fühle mich total entlastet – Sabrina managt alles.“

Selbstverständlich ist das nicht. Denn auch, wenn Daniel, wie er sagt, schon nach dem ersten Treffen den Rollstuhl nicht mehr wahrgenommen hat, er ist da. Die Behinderung ist da und damit auch alle Einschränkungen. Aber das alles bedeutet nicht, dass ein normales Leben unmöglich wäre, es muss nur sehr genau geplant sein. „Ich habe fünf Assistentinnen, die mir im Alltag zur Seite stehen“, erklärt Sabrina. Sie unterstützen sie bei Haushaltstätigkeiten, bei Freizeitaktivitäten sowie bei der Arbeit.

Seid neugierig.

„Und obwohl sie selber auf Hilfe angewiesen ist und auf Steuerkosten lebt, muss sie noch ein Kind haben?“ So lauteten die Kommentare unter einem Interview mit Sabrina und Daniel, das online erschien. Harte Worte. „Ich habe nicht alle Kommentare gelesen, das bringt mir nichts. Wir haben die Stärke, dass wir über solchen Dingen stehen“, sagt Sabrina. Dennoch verletzt es. Es lässt keineswegs kalt. „Aber ich nehme es diesen Personen nicht übel, sondern ich glaube, sie haben einfach keinen Einblick. Ihre Wahrnehmung ist die, dass der Mann arbeiten gehen und sich abends noch um eine behinderte Frau und ein Kind kümmern muss. Wenn Menschen auf mich zukommen und mich fragen, gebe ich sehr gerne Einblick in unseren Alltag, aber viele haben schon Angst, das Thema überhaupt erst anzuschneiden. Ich würde mir mehr Neugierde und Offenheit wünschen.“

Sohn Jamie bringt immer wieder Freunde aus der Schule mit nach Hause, die Kinder finden es ungeheuer spannend, wie Sabrina sich bewegt und beobachten fasziniert, wie sie viele Aufgaben, für die andere ihre Händen benutzen, mit ihrem Mund erledigt. „Kinder gehen damit ganz offen um. Diese Vielfalt an Möglichkeiten vorzuleben ist wichtig, denn diese Kinder sind unsere Zukunft und wenn sie von klein auf mit der Unterschiedlichkeit konfrontiert sind, dann wird es zur Selbstverständlichkeit.“

 

Biografie von Sabrina Nitz

Ich bin Sabrina Nitz, komme aus Vorarlberg und bin am 10.09.1981 mit Arthrogryposis multiplex congenita (AMC = Gelenksversteifung an Armen und Beinen) geboren und rolle auf vier Rädern durchs Leben. 

Seit 14 Jahren ist mein Lebenspartner Daniel an meiner Seite und wir sind stolze Eltern von einem gesunden 8-jährigen Jungen. Aufgrund meiner starken körperlichen Behinderung organisiere ich mein Leben seit gut 17 Jahren mit Persönlicher Assistenz und führe so ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben. Ich habe 5 verschiedene Assistentinnen, welche mir bei meiner Pflege, bei Haushaltstätigkeiten, bei Freizeitaktivitäten sowie bei der Arbeit assistieren. Durch die Persönliche Assistenz ist es für mich möglich die verschiedensten Rollen des Lebens wahrzunehmen, wie z.B.: in einer eigenen Wohnung zu leben, eine Partnerschaft führen, meine Mutterrolle, einen Job auszuüben, meinen Hobbies und Interessen nachzugehen. 

An 2,5 Tagen in der Woche arbeite ich als Koordinatorin bei der Servicestelle Persönliche Assistenz in Vorarlberg. Dort informiere und begleite ich andere Menschen mit Behinderungen auf Ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben mit und durch Persönliche Assistenz. 

 

Biografie von Daniel Studer

Mein Name ist Daniel Studer, bin 43 Jahre jung und komme aus Vorarlberg.

Ich bin Geschäftsführer bei Magic Media – dem Apple Premium Service Provider in Liechtenstein. In meiner Freizeit liebe ich es Musik zu machen, lese ich gerne und mache Unternehmungen mit meiner Familie.