Das Jahr 2020 war - trotz Corona - mein Glücksjahr

RollOn Obfrau Marianne Hengl recherchiert für die "Tiroler Gemeindezeitung TIROL.KOMMUNAL" – die Geschichte einer ganz außergewöhnlichen und besonderen Frau.

Bereits im Kleinkindalter werden Stephanie Pletzenauer und ihre Eltern mit der Diagnose „Spinale Muskelatrophie“ konfrontiert. Es ist ein Leben mit einer schweren Beeinträchtigung und ein Leben im Rollstuhl, das auf das kleine Mädchen wartet. Doch Stephanie glaubte immer an sich und ihre Träume.

„Nur wer den Mut zum Träumen hat, hat auch die Kraft zu kämpfen“ …

Rollon 16 9 4Stephanie Pletzenauer sitzt seit 2016 im Fieberbrunner Gemeinderat.

„Ich habe schon im Kindergarten gewusst, dass ich Richterin werden will.“ Nach dem Besuch der Volksschule sowie Hauptschule absolvierte Stephanie die Handelsakademie und begann nach der Matura an der Universität Innsbruck das Studium der Rechtswissenschaften. Ich bin ja kein Sozialfall. Zu leben wie alle anderen auch, ist mein Menschenrecht. Daher will sie sich in ihrer politischen Arbeit nicht nur auf die Behindertenfragen reduziert sehen.

Ihr Lebensmotto wurde im Juli 2020 finalisiert. Ein nicht zu beschreibender Augenblick meines bisherigen Lebens war die Sponsion, im Juli 2020, zur Mag.a iur.

Was die derzeitige Krise betrifft, bin ich es Zeit meines Lebens gewohnt Herausforderungen anzunehmen und mich Gegebenheiten und Situationen zu stellen. Das zu Hause bleiben an und für sich ist keine Herausforderung für mich. Des Öfteren wurde ich, aufgrund des Schnees, mangelnder Barrierefreiheit, gesundheitlichen Gründen oder auch einfach, weil mein Rollstuhl kaputt war dazu verdonnert, meinen geplanten Alltag über Bord zu werfen und stattdessen zu Hause zu bleiben.
Sie erzählte mir auch über ihren Ärger und über ihre Ängste: „Dass man ein Leben mit Vorerkrankung und Behinderung mal wieder als weniger lebenswert darstellt, indem man die Bevölkerung damit zu beruhigen versucht, dass es sich bei an Corona Verstorbenen ja eh meistens um vorerkrankte Menschen handelt, macht mich narrisch. Ich erachte es befremdlich, dass Menschen in einem Land wie Österreich es notwendig haben so zu argumentieren und dass diese Logik tatsächlich in der Bevölkerung ankommt. Es mag schwer vorstellbar sein, aber auch vorerkrankte Menschen wollen vielleicht gerne weiterleben. Der Tod ist deshalb für mich nicht mehr gerechtfertigt und ein Leben nicht weniger wert!
Eine weitere Befürchtung ist auch, dass es Einsparungen im Bereich von Menschen mit Behinderung gibt auf Grund der wirtschaftlichen Krise, also sprich, dass Errungenschaften und die Bedürfnisse der Menschen mit Behinderungen auf der Strecke bleiben, wenn’s zum Beispiel um Hilfsmittel geht.

Rückblickend auf die letzten 365 Tage muss ich sagen, keinen davon möchte ich missen. Viele Erfahrungen, Erfolge, Überraschungen, Herausforderungen, emotionale Momente, Ängste, Tränen, echte Chancen, Hoffnungen, großartige Begegnungen und die Gewissheit, dass Menschen da sind, die mir zur Seite stehen, machen mich dankbar und glücklich und bringen mich im Leben weiter. Ziemlich egoistisch, aber wahr, es war für mich persönlich eigentlich das ereignisreichste und beste Jahr aller Zeiten! Mein Leben lang habe ich gelernt mich an meine Umgebung, an die Umstände anzupassen. Wenn es das Jahr 2020 war, worauf mich meine Behinderung mein Leben lang vorbereitet hat, dann nehme ich das an. Glück war für mich eben nie die Definition alles im Leben tun zu können oder alles zu haben, sondern mehr als das und weniger als gedacht. Glück liegt nun mal im Auge des Betrachters.